Vortrag: Jüdische Erfahrung der Shoah in der DDR-Literatur

Donnerstag, 03.08., 16-18Uhr

Obwohl die staatliche Erinnerungspolitik der DDR die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden im Nationalsozialismus marginalisierte, gab es eine heute fast in Vergessenheit geratene Erinnerung an die Shoah aus jüdischer Perspektive im Medium der Literatur. Nicht wenige wichtige Schriftsteller_innen der DDR waren jüdischer Herkunft und hatten im Exil oder in den Lagern den Holocaust überlebt. Autor_innen wie Arnold Zweig, Stephan Hermlin, Jurek Becker und Günter Kunert setzten sich, entgegen einer weitverbreiteten Meinung der deutschsprachigen Germanistik (und anderen Disziplinen), in ihren Texten öffentlich mit der jüdischen Erfahrung der Shoah auseinander. Trotz Zensur und literarästhetischer Maßstäbe bot die „schöne“ Literatur einen Raum, die jüdische Herkunft mit dem antifaschistisch-sozialistischen Selbstverständnis in Bezug zu setzen.

Am Beispiel dreier signifikanter Texte – Stephan Hermlins Erzählung „Die Zeit der Gemeinsamkeit“ (1949) über den Warschauer Ghettoaufstand, Fred Wanders „Der siebente Brunnen“ (1971) über die Buchenwalderfahrung eines jüdischen Häftlings und Jurek Beckers „Der Boxer“ (1976) über die Nachkriegserfahrungen eines jüdischen KZ-Überlebenden in der DDR – sollen im Vortrag drei paradigmatische Wege aufgezeigt werden, wie die spezifisch „jüdische“ Erinnerung an die Shoah mit dem hegemonialen antifaschistischen Widerstandsnarrativ verbunden wurde. Es zeigt sich, dass die Literatur über die Shoah von jüdischen DDR-Schriftstellern nicht nur auf inhaltlicher, sondern auch auf ästhetischer Ebene in ganz eigener Weise zur deutschsprachigen Holocaustliteratur beitragen.

Anja Thiele ist Literaturwissenschaftlerin und promoviert an der Universität Jena über „Repräsentationen der Shoah in der DDR-Literatur“

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